Von modernen Streuobstsystemen bis Agroforst – drei Betriebe stellen ihre Konzepte vor

20.06.2024

Die DeFAF-Sommerexkursion führte uns dieses Jahr – bei strahlendem Juni-Wetter – auf drei Betriebe im Löwenberger Land im Norden Berlins: der Luechhof, das Projekt Ackerbaum und die Walnussmeisterei wurden ausgewählt, um zu zeigen, wie Agroforstsysteme und moderne Streuobstkonzepte Lösungen in Zeiten der Klimakrise sein können. Alternative Baumarten wie die Aprikose oder die Walnuss gehören ebenso dazu wie neue Pflanzabstände und Bewirtschaftungskonzepte. Zu diesen Aspekten gaben uns Praktiker:innen Einblick in ihre Arbeit.

1. Station: Luechhof – Reiner Merker

Nach der Begrüßung und Einführung durch Reiner Merker ging es zur ersten Fläche mit Aprikosen. Seit mehreren Jahren hat er peu à peu auf Pflaume veredelte Aprikosen auf einem Acker gesetzt. Dabei war es immer sein Ziel, die Flächen nicht nur nach Öko-Standards, sondern auch besonders boden- und ressourcenschonend zu bewirtschaften. Die Flächenbearbeitung erledigt er daher fast ausschließlich mit Pferdekraft. Die Flächenwiederbegrünung überließ er weitestgehend sich selbst, sodass sich über die Jahre ein standorttypisches Grünland etablierte. Die Flächen werden durch seine Schafherde (ca. 80 Mutterschafe plus Nachzucht) im Mob-Grazing beweidet. Die Baumscheibe hat er in den ersten Jahren und teilweise noch jetzt frei gehackt.

Sein Ziel ist es, hochwertiges Tafelobst zu erzeugen. Leider hat ihm dieses Frühjahr der Spätfrost einen Strich durch die Rechnung gemacht, sodass die Aprikosen trotz starkem Blütenansatz keine Früchte trugen. Interessant waren seine Erkenntnisse bezüglich des Zusammenspiels aus der Veredelungsunterlage und der Versorgung der Äste. Es zeigt sich –  insbesondere in trockenen Jahren – dass Bäume mit Pflaumenstamm eine wesentlich bessere Wasserversorgung der Krone gewährleisten als diejenigen Bäume, die bereits direkt am Stammfuß auf Aprikose umveredelt wurden. Er plant zudem, die Stämme zum Schutz vor Überhitzung im Sommer zu weißeln.

Die zweite Streuobstfläche auf Merkers‘ Hof wurde mit verschiedenen Birnen im Rahmen einer Ausgleich- und Ersatzmaßnahme (A&E) angelegt. Als Windschutz wurde westlich eine Naturhecke gepflanzt, mit der ursprünglichen Intention, die Westwinde abzumildern. Im Nachhinein hätte sich eine Pflanzung auf der Ostseite besser bewährt, da die kalten Ostwinde größere Problem bei den Birnen verursachen. Bezüglich der gepflanzten Sorten berichtet Rainer Merker, dass er aufgrund der Förderung als A&E Maßnahme dachte, regionaltypische und auch alte Sorten zu pflanzen. Nach mehreren Jahren, nachdem die Birnen erste Erträge abwarfen, stellte sich allerdings heraus, dass die ursprünglich angedachten Sorten nicht mit der Pflanzware übereinstimmen, sodass sich im Nachhinein Sorten finden, die eigentlich weniger für den Standort geeignet sind.

2. Station: Projekt Ackerbau(m) – Agroforst-Versuchsfläche im Löwenberger Land der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE)

Als studentisches Projekt an der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) wurde im Wintersemester 2017/18 die Agroforst-Versuchsfläche im Löwenberger Land auf 5 ha Ackerland begründet und seitdem kontinuierlich erweitert sowie auch Ersatzpflanzungen durchgeführt.

Aus Gründen des Erosionsschutzes und zu Forschungszwecken wurden dafür 2017 auf der konventionell bewirtschafteten Ackerfläche im Löwenberger Land 8 Gehölzstreifen in einem Abstand von 38 m zueinander angelegt. Im Süd-Westen der Fläche wurde zusätzlich eine Windschutzhecke gepflanzt. Es wurden Sitzstangen für Greifvögel aufgestellt, ein Eulenkasten installiert sowie Blühstreifen angelegt. Dieses Jahr wurde auf der Fläche Erbse angebaut (Körnerleguminose), die anderen Jahre Getreide, Hackfrüchte, oder Ölsaaten.

Marco Bartsch, Student Ökolandbau und Vermarktung und Tutor im Modul Agroforstwirtschaft an der HNEE führte uns kompetent über die Fläche. Die Besonderheit am Standort ist, dass von der Planung über die Pflege bis zur zukünftigen Nutzung alle Schritte von Studierenden geplant und umgesetzt werden. Zur Forschung wurden Klimastationen installiert, um das Mikroklima auf der Fläche zu erfassen. So wird untersucht, welchen Einfluss das Agroforstsystem zum Beispiel auf Temperatur und Luftfeuchtigkeit der Fläche hat und wie dadurch das Wachstum der landwirtschaftlichen Feldfrüchte beeinflusst werden kann. Diese Daten fließen beispielsweise ins DAKIS (Digital Agricultural Knowledge and Information System) am ZALF.

Die 2017 in Dreiergruppen gepflanzten Baumarten umfassen Roteiche (Quercus rubra), Traubeneiche (Quercus petraea), Elsbeere (Sorbus torminalis), Speierling (Sorbus domestica), Wildbirne (Pyrus pyraster), sowie die Baumhasel (Corylus colurna), die alle als Stammholz genutzt werden sollen, wofür sie selektiv aufgeastet werden. Der aktuelle Jahrgang des Agroforst-Moduls an der HNEE entwickelt bereits einen Kriterienkatalog, nach dem die Bäume demnächst für die finale Vereinzelung ausgewählt werden. Nur der zukunftsträchtigste Baum (Z-Baum) der Dreiergruppe wird langfristig bis zur Ernte in einigen Jahrzehnten verbleiben. Zukünftig sollen auch Nussbäume, wie die Juglans regia, Juglans nigra sowie Nuss-Hybride auf der Fläche getestet werden.

Es wurden neben den Wertholzbäumen auch 555 Sträucher, wie Holunder (Sambucus nigra), Hundsrose (Rosa canina), Sanddorn (Hippophae rhamnoides), sowie Aronia (Aronia spp.) 2017 gepflanzt. Auffällig war, dass mittlerweile viel Eschenahorn (Acer negundo) in der eigentlich als A&E Maßnahme gepflanzten Hecke aus dem natürlichen Anflug aus Samen wuchsen.

2020 wurde auch ein Agroforstsystem im Alley-Cropping-Verfahren mit schnellwachsenden Pioniergehölzen angelegt. Dafür wurden verschiedenen Züchtungen der Weide (Salix spp.) jeweils in zwei Streifen mittels 5.000 Steckhölzern gepflanzt. Es zeigten sich vier Jahre später sehr große Unterschiede was den Biomassezuwachs betrifft. Es waren auch Lücken im Bestand, obwohl etwa 10% nachgepflanzt wurde.

Zu den Herausforderungen der Versuchsfläche „Ackerbau(m)“ gehören zunächst ein weiter Anfahrtsweg für die Studierenden aus Eberswalde und eine nicht immer einfache Kooperation mit den Landwirten. Die wechselnde Betreuung der Fläche ist ebenfalls nicht einfach. Aber auch die Standortbedingungen hinsichtlich Wind, Trockenheit und Schädlingen, insbesondere Wildverbiss aufgrund von unzureichendem Baumschutz, stellen große Herausforderungen für das Agroforstsystem dar. Als Versuchsfläche werden hier kontinuierlich die Erkenntnisse in Lösungen umgesetzt und Schlussfolgerungen für Agroforstsysteme der Zukunft gesammelt.

  • Um die Geradschaftigkeit der Wertholzbäume trotz beständigem Wind zu erreichen, werden die Z-Bäume mit einer sehr langen Bambusstange im oberen Bereich gehalten, auch um die Leittriebe bspw. vor ansitzenden Greifvögeln zu schützen, die diese sonst abknicken würden.
  • Die hohe Beikrautkonkurrenz in den Gehölzstreifen wird durch regelmäßiges mähen mit dem Balkenmäher und freihalten der Baumscheibe vermindert.
  • Die Baumschutzhüllen aus Kunststoff werden regelmäßig auf eventuellen Laubansammlungen kontrolliert um den Mäusen nicht als Habitat zu dienen.

3. Station: Walnussmeisterei – Agroforstsystem zur Nussproduktion und Verarbeitungskonzepte – Vivian Böllersen

Die dritte Station der Sommer-Exkursion führte uns auf die Flächen der Walnussmeisterei zu Vivian Böllersen. Der Gesamteindruck der Fläche glich eher einer flachen Savannenlandschaft mit weiten Abständen zwischen den Solitärbäumen. Die Temperaturen haben auch dazu gepasst. Sie hatte sich im Studium intensiv mit der Walnuss auseinandergesetzt – was lag also näher, als es selbst auszuprobieren. 7 Jahre später stand sie stolz in ihrem eigenen Walnusshain und ist mittlerweile die erste Adresse bei Fragen zur Walnuss und allem was dazu gehört.

Nach mittlerweile 7 Jahren gehen die unterschiedlichen Sorten allmählich in den Ertrag. Bisher lag der Fokus allerdings stärker auf der natürlichen Entwicklung eine starken Krone, sodass etwaige Fruchtansätze eher entfernt wurden.

Die Beweidung des Grünlands erfolgt durch Pensionstiere (Schafe und Alpacas). Zur der Zeit, in der die Fläche angelegt wurde, gab es hinsichtlich des Grünlanderhaltungsgebots strenge Auflagen durch die Untere Naturschutzbehörde. So muss das Grünland nun jährlich bonitiert werden, was ein nicht unerheblicher Aufwand darstellt. Mittlerweile haben sich die rechtlichen Rahmenbedingungen für Agroforstsysteme deutlich verbessert, sodass die Pflanzung von Bäumen keinen Grünlandumbruch mehr darstellt und die Fläche auch als Agroforstsystem den Grünlandstatus sowie alle damit verbundenen Zahlungen behält. Dies ist übrigens seitens der EU Kommission schon lange geforderte Praxis (siehe „Omnibusverordnung“), nachdem Grünland auch mit Gehölzen als Grünland definiert ist, sofern es überwiegend beweidet wird. Lediglich aus Naturschutzgründen besonders geschütztes Grünland (wie bspw. Wiesenbrüterareale) können sich nach einer notwendigen Prüfung durch die Naturschutzbehörde als nicht geeignet für die Pflanzung von Gehölzen als Agroforstsystem herausstellen.

Das Fazit von Vivian ist; das Grünland bleibt erhalten und wird auch nicht negativ von den Walnüssen beeinflusst. Die viel diskutierten negativen Auswirkungen des Juglons aus den Blättern der Walnuss im Herbst waren nicht zu erkennen.

Nachdem die Bäume viele Jahre brauchen um heranzuwachsen und viele Nüsse zu produzieren, konnte sich Vivien stärker der Entwicklung und Vermarktung von Walnussprodukten widmen. Selbstverständlich wird aktuell dafür ein Großteil der Nüsse aufgekauft. Es wurde dafür auch erheblich investiert, in eine Knackmaschine, wo auch Nüsse im Lohn verarbeitet werden können, sowie in ein entsprechendes Gebäude mit Infrastruktur am Hof.

Vivians drittes Standbein ist die Baumschule. In der Walnussmeisterei können verschiedenste Walnussarten für sehr unterschiedliche Standorte und Ertragsbedingungen bestellt werden. Die Veredelung von Walnüssen ist höchstes Kunsthandwerk, das nur sehr wenige Baumschulen in Europa beherrschen. Für die Details über die Sorteneignung und alles andere lohnt sich die Lektüre ihres Buches (Böllersen, 2019) oder – wer des Französischen mächtig ist –  vielleicht das sehr gute Fachbuch von Becquey (1997). Auch das FIBL-Merkblatt 1757 ist sehr lesenswert.

Literatur

  • Becquey, J. (1997): Les noyers à bois, Institut Pour Le Developpement Forestier.
  • Böllersen, V. (2019): Revival der Walnuss: Neues und altes Wissen zum Walnussanbau in Deutschland, OLV Organischer Landbau.
  • Suard, T., Caminada, L., Amsler, S. & Häseli, A. (2024): Walnüsse – Anbau, Ernte und Verarbeitung bei kleinen Produktionsmengen. FIBL Merkblatt Nr. 1757, https://doi.org/10.5281/zenodo.10817422.

Danksagung

Wir vom DeFAF e.V. möchten uns für die tollen Führungen und das Engagement der Expert:innen ganz herzlich bedanken. Die Sommer-Exkursion wurde mit finanzieller Unterstützung des Projektes „Perspektiven Streuobst“ ermöglicht und erfolgte in Kooperation mit den Projekten SEBAS und REFOREST.