05.03.2024

Letzte Woche vernetzten sich am 26. und 27. Februar knapp über 40 Akteure aus Landwirtschaft, Naturschutz, Beratung, Verwaltung, Dienstleistung und Wissenschaft in und bei Hannover. Diese Veranstaltung wurde über das Projekt AgroWiNs organisiert.

Der 1. Tag fand im Dorfgemeinschaftshaus vom Lemmie Mitte e.V., in Spazierentfernung von den Agroforstflächen des Pferdehof Rehren statt, wo am Nachmittag eine Schaupflanzung durchgeführt wurde. Der 1. Tag fokussierte sich vor allem auf die Agroforstwirtschaft in der landwirtschaftlichen Praxis.

Ernst Kürsten (3N-Kompetenzzentrum) und Michelle Breezmann (Agroforstplanerin) leiteten die Teilnehmenden in das Thema ein: Agroforstwirtschaft ist nichts Neues, nicht auf der Welt und auch nicht in Deutschland. Hier waren schon Windschutzhecken/ Knicks, Streuobstwiesen oder Hutwälder etabliert, welche zu historischen Agroforstsystemen gezählt werden. Bei modernen Agroforstsystemen geht es vor allem darum das Design des Agroforstsystems an die moderne Landwirtschaft anzupassen, z.B. an die vorhandenen Arbeitsbreiten. Auf dem Acker werden oft streifenförmige Systeme etabliert, z.B. mit Energie- Wert- oder Obstgehölzen. Michelle Breezmann führte in die aktuelle Rechtslage ein: Seit der Förderperiode 2023 sind Agroforstsysteme rechtlich definiert und mit §4 GAPDZVO bleibt der Ackerstatus erhalten. Neuerungen gibt es dieses Jahr v.a. darin, dass kein Nutzungskonzept mehr eingereicht werden muss vor der Anlage und kein Flächenabstand mehr zum Rand eingehalten werden muss, um die Förderung über die Ökoreglung 3 zu beantragen (Ausnahmefälle: nahe Waldgrenzen und Landschaftselementen, Pressemitteilung vom DeFAF e.V. dazu).

Christopher Straeter (Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz) berichtete von den Förderplänen zur Etablierung der Agroforstwirtschaft in Niedersachsen: Nach einer 40%-Förderung aus Landesmitteln in 2023 und 2024 soll künftig über den GAK-Rahmenplan eine 80%-Förderung angestrebt werden. Mit der geplanten Förderrichtlinie soll die Verbreitung von Agroforstsystemen erhöht werden und somit die landwirtschaftliche Produktion, der Erhalt der Biodiversität, die Bindung von Kohlenstoff, die Verringerung von Nährstoffaustragungen und der Bodendegradation gefördert werden. Sie soll im Laufe dieses Jahrs veröffentlicht werden.

Im Anschluss thematisierte Christopher Meixner (Agroforstplaner, Triebwerk UG) die ökonomische Tragfähigkeit von Agroforstsystemen. Er zeigte einige Systeme, die er und sein Team bereits geplant und etabliert hatten. Wichtige ökonomische Schritte sind dabei: Planung, Pflanzung, Pflege und Ernte, Verarbeitung/ Vermarktung und Rückbau. Hier geht´s zur Präsentation, weiterhin wurde vom DeFAF e.V. ein Themenblatt dazu erarbeitet. Wichtig ist dabei, dass alle erzeugten Produkte aus dem Agroforstsystem in die Kalkulationen eingebunden werden – seine Erfahrung ist, dass oft ausschließlich die Gehölzkomponente betrachtet wird. Er rät stark von Faustzahlen ab: Diese sind sehr betriebsindividuell und von Faktoren wie der Art des Systems, der maschinellen Ausstattung am Betrieb oder den regionalen Vermarktungsmöglichkeiten abhängig.

Burkhardt Kayser (Agroforstplaner) beleuchtete den Einfluss von Agroforstsystemen auf den Wasserhaushalt. Er verwies auf zunehmende Wetterextreme, wie die Dürrejahre 2018/19 und das nasse Jahr 2024. Gehölzstreifen helfen, Schäden durch Erosion, Hitze und Starkniederschläge zu minimieren. Besonders Keyline-Systeme optimieren die Wasserverteilung auf der Fläche. Beim Umgang mit Drainage sollten Baumreihen, wenn möglich, mit Abstand gepflanzt werden, schwachwüchsige Arten bevorzugt oder neue Wasserleitstrukturen (z.B. mit Gräben) geschaffen werden. Es gibt einige Betriebsbeispiele, wo trotz einer Drainage Agroforstsysteme auf den Flächen angelegt wurden.

Anschließend stellte Henning Rehren (Landwirt, Pferdehof Rehren) seinen Betrieb mit seinen drei Agroforstflächen vor, die er im Direktsaatverfahren bewirtschaftet. Die Pappeln möchte er für eine geplante Hackschnitzelheizung und die Walnüsse zur Nuss- und Wertholzproduktion nutzen. Erste positive Effekte sind eine deutliche Wahrnehmung vom Windschutz, eine zunehmende Biodiversität und die gesellschaftliche Wertschätzung. Herausforderungen bestehen aktuell durch das feuchte Jahr durch Schneckenbefall und Beikrautdruck. Sein Rat: Expertise auch durch Beratung einholen, Weiterbildung nutzen und Netzwerke pflegen.

Auf den Flächen zeigten Philipp Gerhardt und Laura Schridde (Pflanz- und Beratungsfirma Baumfeldwirtschaft) die manuelle Pflanzung eines wurzelnackten Walnussbaums. Neben der händischen Methode nutzt die Firma vor allem auch die maschinelle Pflanzung, wofür die Pflanzmaschine auf dem Hänger präsentiert wurde. Die Pflanzung wird stets an die Standortbedingungen und die Pflanzware angepasst – eine fachkundige Beratung ist dabei wichtig. In Agroforstsystemen wird meist wurzelnackte Ware verwendet, wobei eine sachgerechte Lagerung entscheidend für die Pflanzqualität ist (Schutz vor Wind und Sonne, ggf. Einschlämmen bei längeren Lagerzeiten, siehe Bild unten). Zudem wurde das Anbringen von Baumschutz bei wertvollen Gehölzen sehr empfohlen. Ein leicht zu öffnendes Baumgitter schützt hier vor Verbiss- und Fegeschäden und bietet gleichzeitig eine flexible Handhabe bei der Pflege; Pflanzstäbe sorgen für Stabilität, damit die Wurzeln trotz Wind gut anwachsen.

Am 2. Tag lag der Fokus auf Zielen des Naturschutzes und Kommunen, welche mit der Agroforstwirtschaft erreicht werden können. Dazu konnten die Räumlichkeiten der Landwirtschaftskammer Niedersachsen genutzt werden.

Zu Beginn führte Isabelle Frenzel (DeFAF e.V.) als Moderatorin kurz in das Thema ein, da beim 2.Tag auch neue Teilnehmende dabei waren. Bis Ende 2024 wurden auf der Agroforstlandkarte 30 Flächen in Niedersachsen erfasst – Hauptmotive sind Klimaschutz, Klimaresilienz, ökologisches Gleichgewicht und Erosionsschutz (Eintragung über diesen Link möglich).

Julia Binder (NABU) beleuchtete die Agroforstwirtschaft aus Sicht des Naturschutzes und stellte das NABU-Hintergrundpapier vor. Sie betonte das Potenzial der Agroforstwirtschaft für Naturschutzstrategien, v.a. unter dem Motto „Schutz durch Nutzung und Entwicklung“, verwies aber auch auf Herausforderungen wie fehlende rechtliche Klarheit bei Akteuren (z. B. Hecke vs. Agroforstsystem vs. Kurzumtriebsplantage) oder historische Spannungen zwischen Naturschutz und Landwirtschaft.

Jörg Böhmer (IFAS) präsentierte die Potenziale lokaler Hackschnitzelproduktion für Kommunen. Durch die Eigenversorgung können Kosten gesenkt und die regionale Wirtschaft gestärkt werden. Dies kann schrittweise erfolgen, z.B. zuerst für öffentliche Gebäude mit der Option, das Wärmenetz weiter auszubauen. Eine modellhafte Berechnung für Wolfenbüttel zeigte, dass 7 % Agroforstfläche ausreichen könnten, um das Dorf komplett mit erneuerbarer Energie zu versorgen. Neben Wärme bietet Agroforst zudem Klimaschutz, Erosionsschutz, Ertragsstabilisierung und Biotopvernetzung als „All-inclusive-Paket“.

Ina Küddelsmann (mensch und region) stellte das Blueing-Konzept vor, dass Landschaften durch wasserbasierte Maßnahmen „blauer“ machen will –Bäume und Sträucher spielen hier eine Schlüsselrolle. Sie war mit diesem Konzept die Hauptmotivation für die Einrichtung der Förderrichtlinie im Landkreis Wolfenbüttel über die Stiftung Zukunftsfonds Asse. Diese wurde anschließend von Kirsten Steffen-Schreiber (Stiftung Zukunftsfonds Asse), i. A. von Sven Volkers, näher vorgestellt. Die Richtline fördert Wolfenbütteler Landesflächen mit bis zu 90%, wobei auch Planungen, Pflanzungen, Baumschutz, etc. (teil-)gefördert werden. Hier finden Sie die Förderrichtlinie und ein Interview mit Sven Volkers zum Nachlesen.

Vinzenz Spengler (LWK Niedersachsen) berichtete von den Erfahrungen mit den MODEMA-Partnerbetrieben, z.B. ist es für ein Agroforstsystem wichtig, dass zwei Agroforststreifen auf einem Schlag vorhanden sind und im Nachhinein auch bei einer möglichen Schlagteilung darauf geachtet werden muss.

Den Abschluss bildete ein Workshop mit Isabelle Frenzel, in dem Indikatoren für die Flächeneignung gesammelt wurden, z.B. Schutzgebiete, Standorteigenschaften und Agrarstrukturen. Die Ergebnisse sollen in die geplante Potenzialanalyse des Projekts AgroWiNs einfließen. Zudem wurden Ausschlussflächen diskutiert und nutzerfreundliche Darstellungsformate für die Analyse erarbeitet.

Ein herzlicher Dank geht an das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, welches als Fördermittelgeber das AgroWiNs-Projekt fördert und diese Veranstaltung ermöglichte.