19.12.2024

SEBAS treibt Dialog zwischen Agroforstwirtschaft und Naturschutz voran

Auf Basis der bisher stattgefundenen SEBAS-Fachgespräche im September 2023 und April 2024 richtete das Naturschutzvorhaben SEBAS ein weiteres Fachgespräch aus, diesmal zu dem Thema „Agroforstsysteme auf landwirtschaftlichen Flächen in Schutzgebieten“.

Ziel der Veranstaltung war es, die naturschutzrechtliche Perspektive auf Agroforstsysteme im Allgemeinen und in Schutzgebieten im Speziellen besser zu verstehen, um die Verstetigung von Agroforstsystemen unterstützen zu können. Außerdem wurde der Diskurs über Chancen und Herausforderungen der Agroforstwirtschaft für den Naturschutz weiter vertieft. Diesen Dialog führten gemeinsam Vertreterinnen und Vertreter folgender Institutionen und Organisationen:

  • Kreisverwaltung Potsdam-Mittelmark, uNB
  • MLUK, Abteilung Naturschutz
  • MLUK, Abteilung Landwirtschaft
  • BTU Cottbus-Senftenberg
  • Goepfert & Herpolsheimer Rechtsanwaelte PartG mbB
  • LfU Brandenburg
  • Landwirtschaftlicher Betrieb Seehaus
  • Deutscher Verein für Landschaftspflege (DVL) e.V.
  • Deutscher Fachverband für Agroforstwirtschaft (DeFAF) e.V.
  • Bundesamt fuer Naturschutz (Fg II 4.3)
  • Landkreis Elbe-Elster, uNB
  • Naturpark Nuthe-Nieplitz
  • LfU Brandenburg
  • LandLobby gUG
  • VIVO Carbon gGmbH
  • BTU Cottbus-Senftenberg

Motivation & Hintergrund

In Brandenburg befinden sich etwa 1/3 der landwirtschaftlichen Fläche in Schutzgebieten. Zudem können Agroforstsysteme (AFS) bei manchen Schutzzielen von Schutzgebieten unterstützend wirken, in dem sie z.B. die Strukturvielfalt in der Agrarlandschaft erhöhen und so die Artenvielfalt fördern. Des Weiteren unterstützen AFS die Schutzgüter Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft.

Herausforderungen und Chancen

Aufbauend auf Erkenntnissen des letzten Fachgespräches  im April wurde deutlich, dass die Etablierung von AFS in Landschaftsschutzgebieten (LSGs) einerseits großes Potential für die bestehenden Herausforderungen im Zuge des Klimawandels bietet und andererseits mit bestehenden Landschaftsschutzgebietsverordnungen oftmals nicht kompatibel ist.

Zudem ist die Anlage von Agroforstsystemen in sensiblen Schutzgebieten wie Naturschutzgebieten (NSGs), wertvollen Grünlandbiotopen sowie NATURA 2000 Gebieten aus Sicht der Behörden nur in bestimmten Fällen möglich und in jedem Fall mit einem erheblichen Prüfaufwand verbunden. Diese Perspektive spiegelt sich auch in der für das Land Brandenburg bald in Kraft tretenden Investitionsförderrichtlinie zur Anlage von Agroforstsystemen wider, welche im Rahmen des Fachgespräches vorgestellt wurde. Die Inanspruchnahme dieser Förderung ist in NSGs sowie wertvollen Grünlandbiotopen ausgeschlossen und zieht in Natura 2000 Gebieten eine Verträglichkeitsprüfung nach §34 BNatSchG mit sich.

Unabhängig von Schutzgebieten stellt die genannte Förderrichtlinie ebenfalls zur Bedingung, dass geprüft wird, ob es sich bei der Anlage eines AFS um einen Eingriff in die Natur nach §14 BNatSchG handelt. Zu der generellen Fragestellung, wie AFS rechtlich eingeordnet werden können, hat das INTEGRA Projekt bereits einige Erkenntnisse gewonnen, welche von Marina Klimke vorgestellt wurden.

Landschaftsanalyse

Aus naturschutzfachlicher Sicht ist die Anlage von AFS in gewissen Landschaftskontexten für die biologische Vielfalt besonders förderlich, in anderen eher weniger. So können Gehölzstreifen in AFS Habitate vernetzen und Korridore für Wildtiere bilden, z.B. für die Wildkatze. Auf der anderen Seite ist in Gebieten, die dem Schutz spezieller Offenlandarten dienen, besondere Vorsicht bei der Anlage von AFS zu walten. Der deutsche Verband für Landschaftspflege (DVL) e.V. analysiert in SEBAS in ausgewählten Gebieten in Brandenburg, wo AFS naturschutzfachlich besonders sinnvoll sein könnten. Die ersten Ergebnisse dieser Landschaftsanalyse wurden im Fachgespräch präsentiert.

Diese und weitere Vortragsfolien können im Folgenden abgerufen werden:

Pro & Contra der Agroforstwirtschaft für den Naturschutz

Im Rahmen des interaktiven Diskurses teilten die Akteure aus ihrer Sicht Vor- und Nachteile der Agroforstwirtschaft in Bezug auf den Naturschutz:

Pro

  • Schaffung von Übergangsbereichen („Ökotone“), insbesondere wenn Blühstreifen bzw. Saumbereiche entlang der Gehölzstreifen etabliert werden,
  • Förderung von bestäubenden Insekten bei der Integration entsprechender Gehölze,
  • Erhöhung der Strukturvielfalt in der Landschaft,
  • Verringerter Pflanzenschutzmittel-bedarf durch die Steigerung der Resilienz des Produktionssystems,
  • Förderung von Insekten durch Gehölze,
  • Besonders hoher Mehrwert bei der Verwendung von heimischen Gehölzen

Contra

  • Prädatorenförderung durch Gehölzstreifen,
  • Veränderung des Gebietscharakters,
  • Mangelnde Datenlage zu Auswirkung von AFS auf Arten des Grünlandes,
  • Einzelartenschutz,
  • Konkurrenz zur Wiedervernässung,
  • Potentielle Gefährdung von Vögeln des Offenlandes

Dass Agroforstsysteme die biologische Vielfalt von Insekten fördern zeigen erste Ergebnisse der SEBAS-Untersuchungen, von denen erste Resultate voraussichtlich in 2025 veröffentlicht werden. Damit AFS auch andere Arten fördern beziehungsweise nicht gefährden, sind noch weitere Studien notwendig. So ist zum Beispiel der Einfluss von Agroforstsystemen auf Vögel des Offenlandes in vielen Fällen noch unklar bzw. der Einfluss wissenschaftlich nicht belegt, weshalb derartige Untersuchungen im Rahmen von Pilotprojekten ausgesprochen zielführend sein würden.

Letztlich kann die Etablierung von Agroforstsystemen eine Naturschutzstrategie sein, um Agrarlandschaften ökologisch aufzuwerten und einen großen Teil zur Klimaanpassung und zum Klimaschutz in der Landwirtschaft beizutragen. Dieses Potential hat sowohl der NABU e.V. in seinem Hintergrundpapier zu Agroforst sowie das BMUV in der kürzlich erschienenen Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt 2030 (NBS 2030) aufgegriffen.