Klartext Forschung #7: Agroforst und häufig übersehene Kohlenstoff-Speicher
In der Reihe Klartext Forschung • das DeFAF Science-Update beleuchtet der Fachverband aktuelle Veröffentlichungen aus wissenschaftlicher Fachliteratur zum Thema Agroforstwirtschaft (oder zu Themen mit Agroforst-Bezug) und stellt die Kernaussagen heraus. Die gewählten Veröffentlichungen sind frei verfügbar und für alle Interessierten kostenfrei lesbar.
Literaturquelle:
Obladen, N., Schindler, Z., Sheppard, J.P., Kröner, K., Larysch, E., Datta, P., Seifert, T., Morhart, C. (2025). Hidden gems: small woody landscape features on agricultural land are overlooked in current assessments of agroforestry in Germany. Agroforestry Systems 99, 267.
Diese Abbildung zeigt Abbildung 8 aus dem Anhang des Fachartikels. Zu sehen sind die Anteile der verschiedenen Gehölztypen an der Gesamtfläche der WLF. Die einzelnen Balken repräsentieren die untersuchten Bundesländer. (Abkürzungen: NI = Niedersachsen, NW = Nordrhein-Westfalen, BB = Brandenburg, HE = Hessen, ST = Sachsen-Anhalt, SN = Sachsen, TH = Thüringen)
Agroforstfläche von Landwirt Dr. Eicke Zschoche, Sachsen-Anhalt, mit Pappelstreifen auf dem Acker im Trinkwasserschutzgebiet und weiteren Gehölzstrukturen. (c)Annett Gernhardt
Worüber wurde geforscht?
Der entscheidende Unterschied zwischen Agroforstsystemen und herkömmlicher Landwirtschaft ist die Gehölzkomponente in Form von Bäumen und Sträuchern. Diese Gehölzstrukturen auf landwirtschaftlichen Flächen werden in der englischsprachigen Fachliteratur als „woody landscape features“ (WLF) bezeichnet. Der Begriff umfasst nicht nur einzelne Bäume, sondern gleichermaßen Sträucher, Hecken und Baumgruppen.
WLF binden nicht nur Kohlenstoff in ihrer Biomasse und sind somit ein wichtiges Mittel im Kampf gegen die Klimakrise, sondern bieten noch zahlreiche weitere Vorteile. Trotz ihrer vielfältigen ökologischen Vorteile gibt es bisher nur wenige Daten zur flächenmäßigen Verteilung und Zusammensetzung dieser WLF in Deutschland. Insbesondere räumlich hoch aufgelöste Landnutzungsdaten, welche frei verfügbar sind, sind rar.
In dem hier präsentierten Fachartikel im Journal Agroforestry Systems wurden WLF auf landwirtschaftlichen Flächen in sieben Bundesländern auf räumlich hochaufgelösten Orthofotos (20 cm Bodenauflösung) manuell markiert und klassifiziert. Insgesamt wurden 175 km² landwirtschaftliche Fläche untersucht. Die so identifizierten WLF wurden anschließend mit Ergebnissen, die auf dem gängigen und frei verfügbaren ATKIS-Datensatz basieren, verglichen. Darüber hinaus haben die Autoren nicht nur modelliert, wie viel Fläche die WLF in den untersuchten Bundesländern einnehmen, sondern auch in ganz Deutschland.
Definitionen
- WLF = kleinräumige Gehölzstrukturen, wie Bäume, Baumgruppen, Sträucher, Hecken
- Orthofotos = verzerrungsfreie und maßstabsgetreue Abbildungen der Erdoberfläche, die aus Luft- oder Satellitenbildern abgeleitet werden
- ATKIS = Amtliches Topographisch-Kartographisches Informationssystem
Welche Erkenntnisse gab es?
Die Untersuchungen haben gezeigt, dass 4,8 km² der untersuchten landwirtschaftlichen Flächen mit Gehölzstrukturen (WLF) bedeckt waren, was etwa 2,7% der Fläche entspricht.
- Die so identifizierte Fläche der WLF ist im Vergleich zu Ergebnissen basierend auf den ATKIS Daten etwa doppelt so groß.
- Ein weiterer Unterschied besteht in der durchschnittlichen Größe der WLF- Flächen, welche in den ATKIS Daten knapp 100-mal so groß war.
Insgesamt werden in den amtlichen digitalen Kartierungen (ATKIS Datensatz) also wesentlich weniger, dafür aber umso größere Flächen Gehölzstrukturen (WLF) zugeordnet.
Die Autoren vermuten, dass diese Unterschiede zum Großteil auf die räumliche Auflösung der zu Grunde liegenden Daten zurückzuführen sind, welche beim ATKIS Datensatz geringer ist. Des Weiteren nennen sie die im ATKIS Datensatz angewandten Mindestgrößen für Gehölzstrukturen (WLF) als wahrscheinlichen Grund.
Hochgerechnet auf ganz Deutschland schätzen sie, dass
- etwa 4.899 km² mit Gehölzstrukturen (WLF) bedeckt sind,
- was etwa 57 Mio. Tonnen oberirdischer Biomasse
- oder etwa 29 Mio. Tonnen oberirdisch gespeichertem Kohlenstoff entspräche.
Die Autoren betonen, dass die Fläche und auch die Biomasse der Agroforstsysteme in Deutschland deutlich über der in der Studie geschätzten WLF Fläche liegt, da Agroforstsysteme nicht nur Gehölzflächen, sondern auch umliegende landwirtschaftliche Flächen mit einschließen.
Kommentar
Die vorgestellte Studie zeigt auf, wie groß der Einfluss der Verwendung von Satellitendaten mit grober Auflösung und Mindestgrößen auf die Schätzungen von Gehölz-Flächen sein kann. Somit leistet die Studie einen Beitrag zur Sichtbarmachung des Beitrags kleiner Gehölzstrukturen, welche in bisherigen Daten untergehen.
Die Genauigkeit der Flächenabschätzungen von Gehölzstrukturen (WLF) hat einen maßgeblichen Einfluss auf abgeleiteten Schätzungen der Biomasse und Kohlenstoffspeicherung in diesen Strukturen. Anhand solcher Schätzungen kann deren Klimaschutzpotenzial bewertet werden.
Diese Informationen sind für ökologische Analysen relevant, können aber auch im Kontext der Klimakrise als Entscheidungshilfe für politische Entscheidungen dienen.
Damit beispielsweise Förderrichtlinien wirksam sind, dürfen die Annahmen hinsichtlich der Verteilung, Zusammensetzung und des Kohlenstoffgehalts von WLF jedoch nicht von der Realität abgekoppelt sein. Eine genaue Bewertung des aktuellen Status und dessen Entwicklung könnte dazu beitragen, eine solche Abkopplung zu verhindern.
Kurzanalyse von:
Dr. Zoe Schindler •
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Zum weiterlesen:
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Die Potentiale von Bäumen als Kohlenstoffspeicher in Agroforstsystemen werden u.a. auch im Modell- und Demonstrations-Vorhaben MODEMA untersucht.
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