Im Portrait: Philipp Fumfahr von Bäcker Wahn
„Wenn mehr Leute Agroforstprodukte vermarkten, können wir gemeinsam zeigen, wie vielfältig und zukunftsfähig Agroforstwirtschaft ist.“
Interview mit Philipp, Geschäftsführer bei Bäcker Wahn, Partner des DeFAF e.V. im Projekt AgroWert-Regio
Agroforstwirtschaft – also die Kombination aus Landwirtschaft und gezielt gepflanzten Gehölzen – ist in Deutschland noch immer eine Nische, wächst jedoch dynamisch. Das Projekt AgroWert-Regio hat in der Lausitz untersucht, wie Produkte aus solchen Systemen regional verarbeitet und vermarktet werden können. Bäcker Wahn war von Anfang an als Projektpartner dabei und hat zum Beispiel das erste Agroforst-Brot aus Champagner-Roggen entwickelt.
1. Vorab: Philipp, bist du schon DeFAF-Mitglied?
Philipp (PF): Ja.
2. Was hat dich und deinen Betrieb motiviert, euch an einem Agroforst-Projekt zu beteiligen – und welcher Gedanke hat dabei den Ausschlag gegeben?
PF: Hierfür muss ich ein wenig ausholen. Ich wollte meinen Betrieb langfristig CO₂-neutral aufstellen. Schon heute laufen alle Wärmequellen mit Ökostrom, und etwa ein Viertel unseres Strombedarfs erzeugen wir selbst. Mir war es wichtig, nicht einfach Kompensationszertifikate zu kaufen, sondern selbst etwas in der Region zu tun. Deshalb habe ich vor einigen Jahren damit begonnen, in der Lausitz Waldflächen zu kaufen und in Mischwald umzuwandeln. Darüber bin ich zum Thema Agroforst gekommen – allerdings aus einer völlig nicht-professionellen Perspektive, ich bin ja weder Land- noch Forstwirt.
Als ich für AgroWert-Regio angefragt wurde, passte das sofort zusammen: Regionalität, Klimaschutz und eine transparente Wertschöpfungskette. Unsere Rohstoffe kommen überwiegend aus Brandenburg und Sachsen. Die Zusammenarbeit direkt mit einem Landwirt – in unserem Fall Thomas (gemeint ist Landwirt Thomas Domin, Anm. d. Red.) – ist für mich etwas sehr Besonderes. Wir bauen eine bestimmte Menge Roggen an, nutzen diese für ein einziges Produkt, und wenn der Roggen aus ist, ist er aus. Das ist ehrlich und nachvollziehbar. Ich kann den gesamten Prozess vom Aussäen über das Mahlen bis zum Backen begleiten. Dieser direkte Bezug zum Rohstoff hat mich überzeugt.
3. Welche Chancen und Potenziale siehst du für das Bäckerhandwerk, wenn Getreide aus regionalen Agroforstsystemen in die Produktion einfließt? Und wie reagiert eure Kundschaft?
PF: Ich sehe großes Potenzial. Wir beziehen ohnehin alle Mehle aus Brandenburg und Sachsen. Viele Bäcker könnten beim Thema Regionalität deutlich aktiver sein. Agroforst bietet zusätzlich eine tolle Kommunikationsmöglichkeit: Warum machen wir das? Was bringt das für den Boden? Warum ist Mehl nicht gleich Mehl?
Wenn wir nachweisen können, dass unter Agroforstsystemen weniger Spritzmittel eingesetzt werden oder die Böden wirklich profitieren, dann sind das starke Verkaufsargumente – gerade an der Ladentheke. Thomas, unser Landwirt, liefert uns dafür viele Informationen aus der Praxis. Die Kundschaft reagiert sehr positiv, vor allem wenn man ins Gespräch kommt und die Geschichte hinter dem Produkt erzählt. Preislich bewegen wir uns weiterhin in einem vernünftigen Rahmen.
4. Wo stößt Agroforst-Getreide aktuell an Grenzen?
PF: Im Moment bauen wir noch relativ wenig an. Dadurch sind wir bei der Qualität eingeschränkt: Wir können kaum Verschnitt machen, um unterschiedliche Chargen auszugleichen. Wenn die Mengen größer werden, lässt sich das leichter abfedern.
Bei Kastenbroten hat man etwas mehr Spielraum – da kann man Schwankungen in der Fallzahl besser ausgleichen, aber es bedeutet zusätzliche Arbeitsschritte. Die Versorgungssicherheit war dieses Jahr auch ein Thema. Wir wussten nicht genau, wie viel Roggen Thomas ernten kann. Das wird sich bessern, wenn mehr Landwirtinnen und Landwirte Agroforst umsetzen.
5. Was war für dich der größte Mehrwert im Projekt – und wo würdest du dir künftig Unterstützung wünschen?
PF: Für mich war die direkte Zusammenarbeit mit dem Landwirt ein riesiger Gewinn. Normalerweise läuft alles über Mühlen, was auch Vorteile hat – vor allem bei Mengen und Qualitätssicherheit. Aber Geschäfte mit Menschen aus der Region zu machen, nur 40 Kilometer voneinander entfernt, das hat eine ganz andere Qualität. Die Wertschöpfung bleibt vor Ort, und die Produkte werden zu etwas Besonderem – wie Weißwurst in Bayern oder Baumkuchen in Cottbus.
Im kleinen Kreis entstehen oft die besten Ideen. Das Projekt hat diesen Austausch entlang der Kette – Erzeuger, Mühle, Bäckerei – optimal ermöglicht, und ich habe das intensiv genutzt. Ich wünsche mir, dass solche Vernetzungsräume weiter bestehen.
6. Welche Perspektiven siehst du für Agroforst-Backwaren und die Zusammenarbeit?
PF: Ich möchte unbedingt weitere Produkte ausprobieren – Heidelbeeren, Kräuter, Saaten wie Leinsaat oder sogar Sesam aus Agroforstsystemen. Auch ein gemeinsames Agroforst-Siegel fände ich sinnvoll, um die Produkte sichtbar zu machen.
Außerdem sehe ich Chancen, über Direktvermarktung Zwischenhändler teilweise zu umgehen, wie wir es im Projekt schon getan haben: Erzeuger und „Point of Sale“ zusammenbringen. Das kann wirtschaftlich sehr attraktiv werden.
Spannend finde ich auch den Blick auf andere Zweige der Landwirtschaft – Hühnerhalterinnen und Hühnerhalter sind ja bereits dabei, warum nicht zum Beispiel Milch aus Agroforstsystemen? Da steckt viel Potenzial für echte Erzeugergemeinschaften. Wenn mehr Leute mitmachen, können wir gemeinsam zeigen, wie vielfältig und zukunftsfähig Agroforstwirtschaft wirklich ist.
Das Interview führte Ruben Weber.
Weitere Informationen:
Im Projekt entstandene Vermarktungsinitiative „Besser mit Bäumen“:


