Agroforst-Geschäftsmodelle für den Klimaschutz skalieren
30.09.2025
Rückblick auf Workshop beim 10. Forum Agroforstsysteme in Gießen
Rund 350 Teilnehmende teilten beim 10. Forum Agroforstsysteme am 17. und 18. September 2025 an der Justus-Liebig-Universität Gießen die neuesten Entwicklungen im Bereich der Agroforstwirtschaft. Denn es gibt immer mehr Landwirt:innen, die Bäume auf Acker oder Grünland pflanzen (wollen). Während die Skalierung langsam voranschreitet, wird auch die Entwicklung und Umsetzung von adäquaten Geschäftsmodellen immer häufiger diskutiert. Die Landwirt:innen brauchen neben den ökologischen auch ökonomische Perspektiven, mit denen sie ihren Betrieb und die Wirtschaftlichkeit des Systems auf langfristig sicherstellen können.
Vor dem Hintergrund der zu erreichenden Klimaziele im Landwirtschaftssektor (Deutsches Klimaschutzgesetz 2024: bis 2030 mind. 25 Mio. t CO2eq, bis 2040 mind. 35 Mio. t CO2eq und bis 2045 mind. 40 Mio. t CO2eq) bieten naturbasierte Landnutzungsmethoden wie Agroforstwirtschaft noch große ungenutzte Potenziale zur Speicherung und Vermeidung von CO2. In der lebenden Biomasse wird das durchschnittliche jährliche Speicherpotenzial vom DeFAF e.V. auf 10 t pro Hektar Gehölzfläche und Jahr geschätzt (Themenblatt #10). Laut Europäischer Agroforst-Föderation (EURAF) könnte der Landnutzungs-Sektor LULUCF bereits bis 2040 durch das Pflanzen von Gehölzen außerhalb des Waldes klimaneutral sein. Dafür muss aber noch einiges passieren in den Mitgliedsstaaten.
Am zweiten Forums-Tag wurden im voll besetzten Workshop „Klimaschutzinstrument Agroforstwirtschaft: Kohlenstoffbindung durch Agroforstgehölze und -produkte als Klima-Trumpf und innovatives Geschäftsmodell für die Landwirtschaft“ die CO2-Bindungspotenziale von Agroforstgehölzen und daraus generierten Holzprodukten, internationale und nationale Regulierungsinstrumente für den freiwilligen Kohlenstoffmarkt sowie die Herausforderungen und Chancen von entsprechenden Geschäftsmodellen vorgestellt und diskutiert.
Handlungskriterien, Zertifizierungs-Systemgrenzen sowie Methoden für Monitoring, Reporting und Verifizierung (MRV) von Carbon Farming-Projekten u. a. durch Agroforstwirtschaft sollen durch die Umsetzung der EU-CRCF-Verordnung in den Mitgliedsstaaten klar geregelt werden. Die Ausgestaltung der Verordnung für den deutschen Kohlenstoffmarkt steht noch aus. Die Agroforst Carbon Farming-Aktivitäten und dadurch generierte CO2-Zertifikate müssen laut EU-Taxonomie auch bestimmte Nachhaltigkeitskriterien erfüllen. Hier ist ebenfalls noch vieles unklar, doch Agroforst mit zahlreichen Co-Benefits, u. a. zur Förderung der Biodiversität und Klimaanpassung, wird als eine akzeptierte naturbasierte Lösung im LULUCF-Sektor gehandelt. Kurz andiskutiert wurde auch die optimale Laufzeit von Agroforst-Carbon Farming-Projekten. CRCF schlägt 30 Jahre vor, was für einige Landwirt:innen ggf. zu lange sein könnte, obwohl ein längerer Zeitraum manchen Umsetzern auch Sicherheit geben kann. Agroforst wird zu oft mit Wiederaufforstungen im Wald gleichgesetzt, obwohl es auf landwirtschaftlichen Flächen außerhalb des Waldes stattfindet und damit ein bisher ungenutztes Potenzial bietet (Kriterium: Zusätzlichkeit).
Agroforstwirtschaft sollte daher als eigenständige Carbon-Farming-Methode auf landwirtschaftlichen Flächen mit eigenem Zertifizierungsprozess für die CO2-Speicherung in der Holzbiomasse sowohl im lebenden System als auch in weiterverarbeiteten Holzprodukten (Kriterium: Permanenz) verstanden werden. Landwirt:innen könnten das geerntete Agroforst-Holz z. B. als Ausgangsrohstoff für die Pflanzenkohle-Produktion oder als Holzwerkstoff und Bauholz für eine längere CO2-Bindung z. B. in Gebäuden usw. nutzen. Die Skalierung von Angebot und Nachfrage nach Agroforst-CO2-Zertifikaten als Alternative zu Aufforstungs-Zertifikaten muss jetzt in Schwung kommen. Der Markt dafür ist aktuell noch nicht vorhanden.
Um die teilweise kritisch diskutierten Herausforderungen und Potenziale, Agroforst als Klimaschutzinstrument in Wert zu setzen, an politische Entscheidungsträger:innen, die u. a. an der Umsetzung der CRCF-Verordnung in Deutschland beteiligt sind, weiterzutragen, wurde am Ende des Workshops durch den DeFAF e.V. als Mitausrichter des Forums und des Workshops ein Memorandum verabschiedet. Die Unterzeichnenden, Organisatoren, Referierende sowie weitere Akteure im Bereich CO2-Kompensation, bekennen sich darin zu den vier Forderungen und damit zur Stärkung der Agroforstwirtschaft als Kohlenstoffsenke.
Memorandum „Agroforstwirtschaft für mehr Klimaschutz“
Präsentationen
- Kohlenstoffbindung durch Agroforstwirtschaft – politische Rahmenbedingungen und Herausforderungen (Dr. Rico Hübner – DeFAF e.V.)
- Der CRCF als Instrument zur Erschließung des CO2-Entnahmepotenzials der Agroforstwirtschaft (Sebastian Mayr –Universität Freiburg)
- Ökonomische Bewertung und CO2-Zertifizierung mit digitaler Kartierung von Agroforstsystemen (AFS) (Dr. Tobias Jorissen – Hochschule Osnabrück)
- Standardisierung der Kohlenstoffbindung in Agroforstsystemen und Produkten aus Agroforst-Holz mit der DIN SPEC 93609 (Konstantin Schwarz – VIVO Carbon gGmbH)
- Klimaschutzinstrument Agroforstwirtschaft: Holz aus Agroforstsystemen als zukünftiger Rohstoff für das nachhaltige Bauen (Ulrich Kotzbauer –Biohof Garvsmühlen KG)