„In Agrarlandschaften wie unserer Region können Agroforstsysteme eine entscheidende Rolle im Sinne von Klimalandschaften spielen.“

Ab 2025 bietet erstmalig ein Landkreis seinen Landwirten eine eigene Agroforstförderung an. Wir wollten mehr wissen über die Beweggründe und die Herausforderungen bei der Etablierung dieser Richtlinie im Landkreis Wolfenbüttel und haben mit dem Initiatoren Sven Volkers gesprochen.

Ab dem 01.01.2025 gibt es im Landkreis Wolfenbüttel eine eigene Förderrichtlinie für Agroforstsysteme, an deren Entwicklung Du in deiner Position als Umweltdezernent und Leiter der Verwaltung der Stiftung Zukunftsfonds Asse maßgeblich beteiligt warst. Was hat Dich motiviert, dieses Thema anzugehen?

Ausschlaggebend war für mich ein Vortrag von Ina Küddelsmann im Rahmen einer Veranstaltung des Geoparks Harz. Braunschweiger Land. Ostfalen im Jahr 2021, in dem sie uns ihr Blueing-Konzept vorstellte. In diesem Konzept geht es um die systementscheidende Rolle und Bedeutung des Wassers als Primärprozessor für die Entwicklung und Erhaltung von Lebensstrukturen und -prozessen. Sie hat dabei sehr eindrucksvoll unter anderem mit Hilfe von Thermalkarten dargestellt, wie wichtig Bäume bzw. deren Photosynthese für ein ausgeglichenes Klima sind und dass neben der CO2-Thematik auch die Landoberflächentemperaturen einen entscheidenden Einfluss auf unser Klima haben. Diese Ansätze der Klimalandschaften finden sich inzwischen auch im Aktionsprogramm „Natürlicher Klimaschutz“ der Bundesregierung wieder. In Agrarlandschaften wie unserer Region können Agroforstsysteme eine entscheidende Rolle im Sinne von Klimalandschaften spielen.

In den Jahren 2023 und 2024 konnten Landwirte in Niedersachsen bereits über eine landesweite Richtlinie 40 % Förderung für die Pflanzung von Agroforstsystemen auf Ackerflächen erhalten. Was macht Eure Förderrichtlinie im Landkreis Wolfenbüttel anders? Welche Vorteile bietet sie speziell den Landwirten in der Region?

Mit unserem Programm fördern wir auch Ausgaben für Beratungs- und Planungsleistungen sowie für eventuell erforderliche Genehmigungen und Erlaubnisse. Im Hinblick auf die Umsetzung von Agroforstsystemen fördern wir unter anderem auch Ausgaben für die Flächenvorbereitung, Ausgaben für Pflanz- und/oder Saatgut für die Gehölzstreifen zum Bodenschutz oder zur Erhöhung der Wasserspeicherkapazität sowie Bewässerungssäcke oder Tropfschläuche für die notwendige Bewässerung. Darüber hinaus fördern wir auch die fachgerechte Entwicklungspflege in den ersten 3 Jahren. Auch in der Höhe unterscheiden wir uns vom bisherigen Landesprogramm: So fördern wir Betriebe mit bis zu 60.000 €, wobei wir für die ersten 2 ha Agroforststreifen 90 % der zuwendungsfähigen Ausgaben übernehmen, darüber hinaus noch 70 %. Im Bereich der Planung übernehmen wir 70 %, sofern die Leistungen innerhalb von 2 Jahren nach Rechnungsstellung im geplanten Umfang durchgeführt werden, ansonsten 50 %. Die Förderung für Beratung und Planung ist bei uns auf 15 % des maximalen Zuschusses, also 9000 € pro Betrieb, begrenzt. Ich denke, dass wir mit unserer Förderung einen echten Anreiz bei interessierten Betrieben auf einem ackerbaulichen Gunststandort bieten.

Wie lief der Prozess von der Idee bis zur konkreten Umsetzung der Förderrichtlinie? Gab es besondere Herausforderungen oder entscheidende Wendepunkte?

Die grundsätzliche Zustimmung unseres Stiftungsrates zur Förderung von Agroforstsystemen war relativ schnell auch aufgrund unserer strategischen Ausrichtung erkennbar. Herausfordernd war die praktische Ausgestaltung der Fördergrundsätze unter Berücksichtigung des Beihilferechts und der Klärung des Ausschlusses von Doppelförderungen in Bezug auf GAP- bzw. AUKM-Förderung. Dies erforderte einen langen Atem und sehr viele Gespräche mit Fachleuten und Ministerien, auch in anderen Bundesländern. Hier erhielten wir die für uns entscheidenden Hinweise zum Durchschlagen eines Knotens. Etwas kompliziert gestaltete sich noch am Ende die Abstimmung mit unserem Amt für regionale Landesentwicklung, dass bei uns in der Stiftung Zukunftsfonds Asse auch eine Kontrollfunktion innehat.

Welche Erfahrungen aus Wolfenbüttel würdest Du anderen Landkreisen mitgeben, die Agroforstsysteme ebenfalls stärker fördern möchten? Gibt es wichtige Schritte oder Strategien, die Du empfehlen kannst?

Ich denke, dass andere Gebietskörperschaften mit unseren Fördergrundsätzen schon eine gute Grundlage im Sinne eines Musters haben, was die formalen Voraussetzungen angeht. Die inhaltliche und organisatorische Ausgestaltung der Förderung kann dann – auch im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten – regional angepasst werden. Der Austausch mit Expert:innen und dem DeFAF war und ist sehr hilfreich, um aktuelle Erkenntnisse zu Hürden bzw. Herausforderungen bei der Etablierung von Agroforstsystemen bei der Ausgestaltung der Zuwendungsgrundsätze zu berücksichtigen.

Förderrichtlinie „Agroforst im Landkreis Wolfenbüttel“

Interview: Isabelle Frenzel

20. September 2024

Am 18. September 2024 fand im NABU-Besucherzentrum Rühstädt, Landkreis Prignitz, das Dialogforum „Agroforst – Landwirtschaft der Zukunft?“ statt, veranstaltet vom NABU Rühstädt. Nach der Begrüßung von Christiane Schröder (NABU Brandenburg) und Dr. Jan Dierks (NABU Rühstädt), beleuchteten verschiedene Expert:innen in Vorträgen die Chancen und Herausforderungen von Agroforstsystemen. Hierbei lag ein besonderer Fokus auf den möglichen Synergien zwischen der Agroforstwirtschaft und dem Naturschutz.

Susanne Wangert (NABU NRW) sprach aus naturschutzfachlicher Perspektive über die Vorteile von Agroforstsystemen in strukturarmen Landschaften für die biologische Vielfalt. Gleichzeitig wies sie wies darauf hin, dass auf bestimmten Flächen, wie bei artenreichem Grünland oder von gefährdeten Offenlandarten besiedelten Biotopen, Vorsicht bei der Anlage von Agroforstsystemen geboten sei.

Dr. Christian Böhm (BTU Cottbus, DeFAF e.V.) hob den positiven Einfluss von Agroforst auf die Biodiversität und den Naturschutz hervor. Zudem stellte er den bald erscheinenden „Pflanzenbaukasten“ vor, ein Werkzeug für die Planung von Agroforstsystemen.

Martin Kempin (MLUK) informierte über die aktuelle Fördersituation der Agroforstwirtschaft in Brandenburg. Darunter fällt eine neue Förderrichtlinie zur Anlage von Agroforstsystemen in Brandenburg, die Ende 2024 in Kraft treten soll und vom Referat 31 des MLUK erarbeitet wird. Der Entwurf sieht eine gestaffelte Förderung als Zuschuss vor, abhängig vom Gehölztyp. Sobald die Förderrichtlinie veröffentlicht ist, werden wir auf www.agroforst-info.de darüber informieren.

Lea Martetschläger von der HNEE Eberswalde präsentierte die Agroforst-Versuchsfläche und Reallabor „Ackerbaum“, auf der seit 2017 Studierende der Hochschule ein Agroforstsystem pflegen und eine Vielzahl wissenschaftlicher Untersuchungen vornehmen.

Rainer Guhl, Landwirt und Agroforst-Pionier vom Hof Düpow, berichtete schließlich über seine Praxiserfahrungen und die Vorteile Pappel-basierter Agroforstsysteme für seinen Acker. Im Kontext des Naturschutzes hob er vor allem die Saumbereiche, Übergangsbereiche zwischen Acker und Gehölzstreifen hervor. Der Einfluss solcher Agroforstsysteme auf die biologische Vielfalt von Insekten und verschiedener Ökosystemleistungen wird im Naturschutzvorhaben SEBAS untersucht.

Im zweiten Teil der Veranstaltung wurden in Dialogrunden Themen wie Agroforst auf Dauergrünland, praktische Erfahrungen und Förderbedingungen diskutiert.

Fazit

Es besteht großes Interesse sowohl seitens der Landwirtschaft als auch des Naturschutzes, Agroforstsysteme als Strategie zur Förderung von Biodiversität, Klimaschutz und Bodenerhalt in die landwirtschaftliche Praxis zu integrieren. Die Prignitz sowie das Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe-Brandenburg können als Vorreiter zur flächendeckenden Etablierung von Agroforstsystemen voran gehen und dabei Wege finden, Agroforstsysteme im Einklang mit naturschutzfachlichen Berücksichtigungen unbürokratisch in die Fläche zu bringen!

In den meisten Fällen bieten Agroforstsysteme auf landwirtschaftlichen Flächen einen Vorteil für die biologische Vielfalt und haben das Potenzial sich als Teil einer Naturschutzstrategie zu etablieren, die auf das Schützen von Natur durch die Nutzung baut. In einem Hintergrundpapier des NABU, wird diese Naturschutzstrategie eingehend beleuchtet. In besonders sensiblen Schutzgebieten sollte die Anlage von Agroforstsystemen mit dem jeweiligen Schutzziel abgewägt werden. Gleichzeitig sollten die Hürden und Bedenken aus naturschutzfachlicher Sicht bei allen anderen landwirtschaftlichen Flächen ausgeräumt werden um die flächendeckende Anlage von Agroforstsystemen zu bestärken. Denn Agroforstsysteme sind eine Chance für den Naturschutz, naturnahe und dennoch produktive Gehölzstrukturen in der Landwirtschaft zu etablieren. Gleichzeitig kann Klimaschutz, Klimaanpassung & Ertragsstabilisierung, Wasserrückhalt und Schutz vor Bodenerosion gestärkt werden.

Das im Bundesprogramm Biologische Vielfalt geförderte Naturschutzvorhaben SEBAS unterstützt die Verstetigung von Agroforstsystemen mit Hinblick auf die naturschutzfachliche Perspektive in Brandenburg und darüber hinaus.