23. Juni 2025

Der DeFAF e.V. und die EURAF vertreten gemeinsam die Agroforstwirtschaft als wachsenden Primärproduktionsbereich in der Bioökonomie-Arbeitsgruppe für Primärproduzenten und deren Vertreter, die sich Mitte Juni während der polnischen EU-Ratspräsidentschaft in Warschau konstituierte. Die Koordination und Umsetzung der Arbeitsgruppe läuft im Rahmen der des Circular Bio-based Europe Joint Undertaking (CBE JU) im Rahmen von Horizon Europe, mit dem die Kommission eine zirkuläre Bioökonomien voranbringen will.

Ziel des auf drei Jahre berufenen Konsortiums ist, Primärerzeuger wie Agroforst-Landbewirtschaftende, besser in die biobasierte Kreislaufwirtschaft einzubinden. Dazu werden partizipative Methoden, innovative Wertschöpfungsketten und geeignete Geschäftsmodelle für Biomasseprodukte entwickelt, diskutiert und in einem Action Plan Anfang 2026 gegossen.
Die Agroforstwirtschaft ist der Schlüssel für die nachhaltige Erzeugung kreislauffähiger biobasierter Produkte. Sie ist ein unverzichtbarer Ansatz für die Landnutzung, da ihre Ergebnisse – Holzbiomasse usw. – neue Geschäftsmöglichkeiten für Landwirte mit sich bringen, die z. B. zur Nutzung von regenerativen Baumaterialien, Produktion von Pflanzenkohle, Kohlenstoffbindung und zur Defossilisierung der Chemieindustrie beitragen können.

Und ganz nebenbei fördert die Agroforstwirtschaft ja bekanntlich die Bodengesundheit, die Klimaanpassung und den Schutz der Biodiversität – aus landwirtschaftlicher Sicht zentrale Grundlagen, um biogene Rohstoffe und deren Verarbeitung auch in Zukunft lebendig zu halten. An der finanziellen Honorierung für die Erbringung dieser Umweltleistungen fehlt es aktuell aber noch.

RA Dario Mauder | © Foto-Goethe.de

Welche rechtlichen Einschränkungen stehen der Umsetzung von Agroforstsystemen entgegen? Um Agroforstwirtschaft im Spannungsfeld von ökologischem Nutzen und naturschutzrechtlichen Beschränkungen stärker zu beleuchten, hat der DeFAF vor kurzer Zeit gemeinsam mit den Rechtsanwälten Dario Mauder und Tim Herpolsheimer von der Kanzlei Göpfert & Herpolsheimer aus Cottbus einen Fachartikel in der juristischen Zeitschrift „Recht der Landwirtschaft“ veröffentlicht. Tätigkeitsschwerpunkt der auf gewerbliche Mandanten und Unternehmen ausgerichteten Kanzlei ist u. a. das Agrarrecht. Wir haben mit Herrn Mauder gesprochen, um näheres zu erfahren.

1. Wo sehen Sie noch Lücken im (rechtlichen) System, um die Skalierung der Agroforstwirtschaft in Deutschland noch stärker voranzutreiben? Welche Schritte sind hier unbedingt noch zu gehen?

RA Dario Mauder: Eine rechtliche Lücke, die der Skalierung nicht förderlich ist, liegt in der fehlenden Abstimmung von Vorschriften zueinander. Deutlich wird die fehlende Abstimmung z.B. daran, dass nach der GAPDZV (GAP-Direktzahlungen-Verordnung, d. Red.) nunmehr für die Förderung bei Anlage eines Agroforstsystems kein Nutzungskonzept vorzulegen ist, während ein solches aus naturschutzrechtlichen Gründen vorgelegt werden muss. Ein besseres Ineinandergreifen der Vorschriften wäre wünschenswert. Im Übrigen dürfte meines Erachtens der wesentliche Meilenstein für die Skalierung schwerpunktmäßig nicht in der Schließung von Lücken bestehen, sondern in dem Abbau von Komplexität im rechtlichen System. Trotz des hohen Grads an Komplexität werden letztlich nicht immer sachgerechte Ergebnisse erzielt.

2. Welche Regelungen aus dem Natur- und Landschaftsschutz sehen Sie bei der Umsetzung von Agroforstwirtschaft als besonders hinderlich an?

DM: Besonders hervorzuheben sind die Eingriffsregelung und damit etwaig verbundene Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sowie die artenschutzrechtlichen Zugriffsverbote. Im Einzelfall kommen regelmäßig weitere Vorschriften, insbesondere aus dem gebietsbezogenen Naturschutz hinzu. Zu denken ist hier bspw. an Vorschriften aus Landschaftsschutzgebietsverordnungen. Weiterhin liegt, zumindest nach regelmäßiger Auffassung der Behörden, in vielen Fällen die Beibringungslast für bestimmte Sachverhalte beim Anlagewilligen. Daher fordern die Naturschutzbehörden nicht selten vom Anlagewilligen die Beibringung von Gutachten ab. Schon in diesem frühen Stadium scheitert dann häufig die Anlage von Agroforstsystemen aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus.

3. Was konkret müsste im Naturschutzrecht angepasst werden, damit Agroforstsysteme auch hier als normale landwirtschaftliche Praxis betrachtet werden und damit für die Betriebe Planungssicherheit besteht?

DM: Grundsätzlich wäre es wünschenswert, wenn die naturschutzrechtlichen Bestimmungen weniger komplex und abwägungsfreundlicher wären. Regelmäßig erweckt das Naturschutzrecht den Eindruck, es werde, losgelöst von den durch eine Maßnahme zu erwartenden ökologischen Verbesserungen, lediglich der Status Quo geschützt. Austarierte Lösungen scheinen insbesondere dann, wenn Vogelarten der offenen Feldflur wie z. B. die Feldlerche von Maßnahmen potentiell beeinträchtigt werden könnten, nicht immer möglich zu sein. Konkret wäre die gesetzliche Ausweitung des Landwirtschaftsprivilegs auf Agroforstsysteme wünschenswert. Weiterhin wäre eine Absenkung der Hürden für die Erteilung einer Befreiung von den Bestimmungen des Naturschutzrechts hilfreich.

4. Ein häufiger Hinderungsgrund für die Umsetzung eines Agroforstsystems ist das Vorliegen eines Pachtverhältnisses. Welche vertraglichen Regelungen sind Ihrer Meinung nach am wichtigsten, damit Pächter:innen in längeren Zeiträumen Agroforstwirtschaft auf ihrem gepachteten Land betreiben und gegenüber den:dem Verpächter:innen vertreten können? Was passiert in diesem Fall nach Auslaufen des Vertrags?

DM: Wichtig ist die Vereinbarung einer langen Festlaufzeit des Pachtvertrags. Mit kurzer Pachtlaufzeit lässt sich die Anlage eines Agroforstsystems nicht darstellen. Nach Ablauf des Pachtvertrags hat der Pächter keine Rechte mehr an dem Agroforstsystem. Es besteht also das Risiko, dass der Pächter keinen Ertrag aus dem von ihm angelegten Agroforstsystem erhält. Weiterhin spielen in der Vertragsgestaltung vor allem auch Regelungen zur Entfernung/Erhaltung des Agroforstsystems nach Pachtende sowie die Vereinbarung einer Entschädigung für den Fall der vorzeitigen Beendigung des Pachtvertrags eine wesentliche Rolle. Angesichts der Fallstricke sollten die pachtvertraglichen Regelungen fachkundig und einzelfallbezogen vorab geprüft werden.

Wir danken Ihnen für das Gespräch. Der gemeinsam mit den beiden Rechtsanwälten veröffentlichte Fachartikel kann HIER bezogen werden.

17.06.2025

Mithilfe des großen Engagements von Mitgliedern und Unterstützer:innen hat der DeFAF in den ersten 6 Jahren seines Bestehens bereits Einiges erreicht. Der frisch erschienene Jahresbericht 2024 zeigt Projektaktivitäten und -ergebnisse aus dem vergangenen Jahr auf, was auf politischer Ebene erreicht werden konnte und wo und wie der Verband noch so wirken konnte. Ganz besonders erfreulich ist die große Anzahl neuer Agroforstsysteme, die deutschlandweit u.a. durch das neue Projekt MODEMA entstehen konnten. Auch die Ehrung unseres stellvertretenden Vorsitzenden Thomas Domin mit der Prof. Niklas Medaille sowie die Feier zum Anlass unseres 5-jährigen Bestehens sind Highlights des letzten Jahres, auf die wir gerne zurückblicken. Gleichzeitig spornt dies an, mit voller Wirkungskraft weiterzumachen, um die Agroforstwirtschaft noch stärker in der Landwirtschaft zu verankern. Der Jahresbericht 2024 ist hier einsehbar.

11.06.2025

Die Auswahl geeigneter Baumarten ist ein zentraler Schritt bei der Gestaltung funktionierender Agroforstsysteme. Entscheidungshilfen (Decision Support Systems – DSS) können landwirtschaftliche Betriebe und Beratende dabei wesentlich unterstützen. Allerdings sind viele der verfügbaren Tools nur länderspezifisch einsetzbar, schwer zugänglich oder nicht miteinander kompatibel.

Um diese Lücke zu schließen wurde AgroforesTreeAdvice, im Rahmen des EU-Projekts DigitAF entwickelt. Es zielt darauf ab, bestehendes Wissen aus acht vorhandenen DSS in einem einheitlichen, benutzerfreundlichen System zusammenzuführen und zugänglich zu machen. Das Tool ist über eine grafische Web-Oberfläche in acht Sprachen nutzbar und ist öffentlich über GitHub zugänglich. Nutzer können anhand lokaler Standortparameter (wie Boden, Klima, biotische Faktoren und sozio-ökonomische Aspekte), Produktionszielen (wie Holz, Früchte) und gewünschter Ökosystemdienstleistungen (wie Bodenschutz, Kohlenstoffspeicherung) gezielt nach passender Baum- und Straucharten suchen. Insgesamt stehen 157 Gehölzarten zur Auswahl. Die Bewertung der Baumarten erfolgt über eine Multikriterienbewertung, bei der einzelne Kriterien gewichtet und Punkte vergeben und zu einem Gesamtwert summiert werden. Erste Tests in drei europäischen Ländern zeigen eine hohe Nutzerzufriedenheit, insbesondere bezüglich Übersichtlichkeit und Mehrsprachigkeit. Verbesserungspotenzial besteht noch bei Informationen zu Wurzeleigenschaften, Biodiversität und Interaktionen zwischen Baumarten. Künftige Erweiterungen sind bereits geplant, etwa die Integration zusätzlicher Tools wie TreeAdvisor oder UK Tree Guide sowie die Verknüpfung mit Klimadatenbanken zur automatischen Standortanalyse. Langfristig soll AgroforesTreeAdvice zu einem umfassenden Planungsinstrument für die Agroforstwirtschaft weiterentwickelt werden und so eine zentrale Rolle in der Gestaltung nachhaltiger Systeme spielen.

Ein Zusammenfassung zum Tool und Hintergrundinformationen wurden unlängst in der Zeitschrift Agroforestry Systems veröffentlicht:

Gosme, M., Staněk, T., Rigal, C., Paut, R., Skyum, B., Rønn-Anderson, K., Thissen, W., den Herder, M., Houska, J., Lojka, B., Warlop, F., Carton, S., Pardon, P., Weger, J., Martiník, A., Uradnicek, L., Hübner, R., Tomás, A., Kay, S. & Reubens, B. (2025): AgroforesTreeAdvice: a decision support tool combining heterogeneous knowledge resources for tree species selection in agroforestry systems. Agroforestry Systems, 99, https://doi.org/10.1007/s10457-025-01208-6.

Fehler in Agroforstsystemen – von drei Praxisbetrieben lernen

• Videopremiere • 16 Minuten, die sich lohnen. Jetzt auf Youtube.

Lasst uns über Fehler reden! Fehler sind unvermeidbar. Nur wenn wir offen über sie sprechen, können wir voneinander lernen und Agroforst gemeinsam weiterentwickeln. In diesem Video stellen sich drei Agroforst-Betriebe vor – bzw. erzählen sie euch von ihren Fehlern:

Das Video ist im Zuge einer Projektarbeit im Masterstudiengang „Ökologische Landwirtschaft“ an der Universität Kassel entstanden. Verantwortlich dafür sind Lisa Hillenbrand und Anastasia Kühn.

Besonderen Dank an die teilnehmenden Betriebe für ihre Zeit und Offenheit!

  • Hofgut Oberfeld in Südhessen
  • Warnke Agrar GmbH in Sachsen-Anhalt
  • Werragut-Resola e.V., Nordhessen

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Der Fachbereich Junger DeFAF im Deutschen Fachverband für Agroforstwirtschaft (DeFAF) e.V. wird u.a. von Lisa Hillenbrand geleitet. Mach mit für mehr naturbasierte Lösungen in der Landwirtschaft und werde Mitglied.

08.05.2025

Ein Bericht des DeFAF e.V. beleuchtet die Chancen, Herausforderungen und den Wissensbedarf zur Agroforstwirtschaft in Niedersachsen, Brandenburg und Thüringen. Basierend auf 25 Interviews mit Vertreter:innen aus Landwirtschaft, Verwaltung und Naturschutz, identifiziert der Bericht sowohl förderliche als auch hemmende Faktoren für die Integration von Gehölzen in landwirtschaftliche Systeme.

Zu den genannten Vorteilen zählen die Förderung der Biodiversität, der Erosionsschutz und die Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit. Dennoch bestehen weiterhin Hemmnisse wie rechtliche Unsicherheiten, fehlende Förderanreize und ein hoher Informationsbedarf. Einige Interviewpartner:innen waren mit der Definition von Agroforstsystemen nur eingeschränkt vertraut – so wurden beispielsweise Kurzumtriebsplantagen (KUP) fälschlich einbezogen oder die aktuelle rechtliche Lage, etwa zur Beibehaltung des Ackerstatus, war zum Zeitpunkt des Interviews nicht bekannt. Der Bericht unterstreicht die Notwendigkeit eines gezielten Wissenstransfers und politisch-rechtlicher Förderung, um die Agroforstwirtschaft als nachhaltige Landnutzungsoption weiter zu etablieren.

Das SIGNAL-Projekt, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, hat in den letzten Jahren umfassende Forschung zu Agroforstsystemen betrieben. In der dritten und letzten Projektphase wurde der DeFAF e.V. als Partner für den Wissenstransfer hinzugezogen. Es wurden Feldtage, Workshops und Exkursionen organisiert, an Veranstaltungen teilgenommen und Vorträge gehalten. Weiterhin entstanden unterschiedliche Informationsmaterialien, wie z.B. zwei Themenblätter zur Boden-Biodiversität und zu Aspekten der Wirtschaftlichkeit. Weitere Informationen finden Sie auf der Projektseite. Der Wissenstransfer konnte durch die Interviews gezielt auf verschiedene Zielgruppen abgestimmt werden – ein großer Dank gilt daher allen Interviewteilnehmer:innen für ihre wertvolle Bereitschaft und Offenheit.

11.04.2025

Im Rahmen des Naturschutzvorhabens SEBAS ist ein neues informatives Themenblatt des DeFAF e.V. erschienen

In Anbetracht des anhaltenden Artenrückgangs in Agrarlandschaften sind Strukturelemente, die zu einer Erhöhung der Strukturvielfalt führen und eine Teilextensivierung bewirken von fundamentaler Bedeutung. Agroforstsysteme bieten die Möglichkeit, den Strukturreichtum auf landwirtschaftlich genutzten Flächen deutlich zu erhöhen, ohne dass die Bewirtschaftungsfläche reduziert werden muss. Die positive Wirkung auf die biologische Vielfalt verstärkt sich angesichts der sich immer rascher ändernden Klimaverhältnisse, die auch starke Effekte auf das Vorkommen vieler Arten haben. So bewirken Agroforstsysteme eine größere Resilienz gegenüber Wetterextremen und den daraus resultierenden Folgen für viele Arten. In diesem Kontext rückt der Schutz der Natur als sich selbst organisierendes und wandlungsfähiges System in den Vordergrund.

Im DeFAF- Themenblatt Nr.9 werden praxisnahe Handlungsempfehlungen für die Gestaltung von strukturreichen Agrarökosystemen mit Hilfe der Agroforstwirtschaft gegeben. Das Themenblatt steht hier online zur Verfügung und wird auch als Print-Version erhältlich sein.

Das im Bundesprogramm Biologische Vielfalt geförderte Naturschutzvorhaben SEBAS bringt Landwirtschaftsbetriebe, Verbände sowie Forschungseinrichtungen eng zusammen, um die Auswirkungen von Agroforstsystemen auf die biologische Vielfalt zu untersuchen. Hierbei spielt der Wissenstransfer eine zentrale Rolle. Auf der Projektseite können weitere Informationsmaterialien sowie Berichte eingesehen werden.